Resilienz - aus Sicht der Störungsökologie
Die Störungsökologie ist eine Wissenschaftsdisziplin, die sich mit dem Verhalten natürlicher Ökosystemen aufgrund von Störungen beschäftigt. Natürliche Störungen sind beispielsweise Dürren, Überschwemmungen, Brände, Borkenkäfer, Pilze oder Stürme.
Resilienz wurde spätestens mit der Corona-Pandemie gesamtgesellschaftlich zum Modewort und lässt sich auf der persönlichen, unternehmerischen und der gesellschaftlicher Ebene unterschiedlich erklären und anwenden. Die Störungsökologie liefert dabei folgende Definition:
Resilienz ist die Eigenschaft von Ökosystemen, sich wieder von Störungen zu erholen bzw. Störungen zu absorbieren, ohne dabei die systemimmanenten Strukturen und Prozesse zu verändern.
Relevant dabei ist, dass es bei der Betrachtung und Bewertung von Resilienz immer ein Referenzsystem braucht. Nur wenn der Blick geweitet oder verengt wird, lässt sich sehen, ob die Störung Auswirkungen im Kleinen oder Großen nach sich zieht. Für einen Wald - als beobachtetes System - bedeutet das zu schauen, wie es einem einzelnen Baum ergeht, und wie die Landschaft dem Wald herum aussieht. (Das lässt sich beliebig in beide Richtungen erweitern: Baum -> Ast -> Blatt -> Zelle; oder Wald -> Landschaft -> Kontinent -> Planet)
Da eine Landschaft aus vielen Wäldern oder anderen Lebensräumen besteht, hat die Gesamtheit eine stabilisierende Wirkung auf Populationen in ihr. Ein lokaler Waldbrand muss daher nicht unbedingt negative Auswirkung auf die übergreifende Landschaft haben. So hilft es sogar einzelnen Pflanzen, wenn eine Verjüngung stattfindet und neues Grün nachwachsen kann.
Lokale Krisen und Störungen sind also meistens kein Problem auf einer größeren Ebene. Schwierig wird es nur dann, wenn keine intakte Umwelt oder Landschaft vorhanden ist, die einzelne Störungen abfedern kann. Besonders anfällig sind dabei Monokulturen. Also Anbauformen, die kaum Vielfalt an Leben erlauben. Beispielsweise reine Kiefernforste oder gigantische Anbauflächen von Mais.
Im Gegensatz zu einem Wald, also einem komplexem Ökosystem mit hunderten oder gar tausenden teilnehmenden Arten an Lebewesen, ist ein Forst eine künstlich angelegte und menschlich gepflegte Landschaft die einzelne bis wenige Arten beherbergt und auf die ökonomische Nutzenmaximierung optimiert wurde.
Wo auf Ebene der Wälder die Landschaft noch eine stabilisierende Wirkung hatte, kann gegenteiliges der Fall sein wenn Monokulturen betroffen sind. Die Störung, durch einen Waldbrand, verstärkt sich selbst, wenn immer mehr gleiches trockenes und verharztes Holz von den Flammen verzehrt wird. Wenn keine gebundene Feuchtigkeit, z.B. durch Totholz und Moos vorhanden ist, steht bald alles lichterloh in Flammen.
Die stabilisierende Wirkung der Landschaft kann nur dann zum Tragen kommen, wenn diese divers genug ist, also eine große Bandbreite an Variablität hat. So kann das System nach einer Störung nach gewisser Zeit zurück in seinen Ursprungszustand kommen.
Übersteigt eine Störung jedoch die Resilienz eines Systems, ändert dieses sein Verhalten und seine Identität unwiederbringlich. Das passiert nicht linear, sondern aprupt, nach dem Erreichen sogenannter Kipppunkte (zum Beispiel kann eine einmal geschmolzene Polkappe nicht mehr festfrieren). Das ist erst einmal weder gut noch schlecht, sondern einfach anders als vorher.
Die Störungsökologie beschreibt mit einem adaptivem Kreislauf die verschiedenen Phasen, die ein System durchlaufen kann.
Quellen: Wohlgemut, T. & Jentsch, A. & Rupert, S. (2019). Störungsökologie. utb.